Bahn-Internet-Magazin

Blatt 4 der Ausgabe 5 -  Mai 2009

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Digitale Schärfe

Immer wieder werde ich gefragt, wieso sind auf der einen Seite digital erstellte Aufnahmen schärfer, auf der anderen Seite aber gibt es bei Stromleitungen oder schrägen Linien diese Treppenbildung.
Bereits in der BIM-Ausgabe im vorigen Jahr hatte ich auf dieses Phänomen reagiert, siehe Ausgabe Juli 2008 Seite 3.

Inzwischen aber gibt es neue Kameras, die 14, 15, 21 oder gar 24 Millionen Pixel haben. Wenden wir uns zunächst einmal der 15-Mio-Pixel-Kameras zu, Canon bringt in diesem Monat die 500D heraus, seit Herbst letzten Jahres gibt es schon die 50D. Die Bildgrösse ist hierbei 4752 x 3168. Der Chip ist 23 x 16 mm gross, was einer Pixelgrösse von 0,00484 entsprechen würde, da die Pixel aber nicht direkt aneinandergrenzen sondern es einen klitzekleinen Zwischenraum gibt, sind diese geschätze 0,004 mm gross. Umgerechnet auf das Kleinbildformat ergäbe sich eine theoretische Grösse von 0,007 mm.
Bei der EOS 5D Mark II (21 Mio Pixel) ist der einzelne Pixel etwa 0,006 mm gross. Ähnliche Werte erzielen die EOS 1 Ds Mark III oder Nikon D3x oder Sony Alpha 900 (bis 24 Mio Pixel).
Wie wir ja oben gesehen haben, ist der definierte Bildkreis, der bisher als SCHARF galt, 1/30 mm gross, also 0,033 mm. Also ist dieser Bildkreis etwa fünfmal grösser. Das heisst im Umkehrschluss, wo sich früher ein “Pixel” von 0,033 mm befand, sind es nun 2,236 Pixel in der Breite und 2,236 Pixel in der Höhe, also 5 Pixel.
Ein weiteres Phänomen ist die Auflösung, viele Objektive schaffen diese mehr als doppelte (!) Auflösung erst gar nicht, dazu zählen nach meinen Beobachtungen auch Festbrennweiten (z.B. Canon 28/1,8, Zoom-Objektive schon gar nicht oder nur unvollkommen). Wir sind mit diesen Kameras in Bereichen gelandet, die bislang dem Mittelformat vorbehalten waren!
Das heisst, wir müssen nun neu rechnen. Alle bisherigen Tabellen, die für Objektive oder Verschlusszeiten galten, sind Makulatur. Mit der Schärfe, das hatten wir ja schon geklärt.
Aber was hat die Geschwindigkeit damit zu tun? Ganz einfach. Wir fotografieren Züge und die fahren ab und an auch durch die Landschaft. Früher waren Verschlussgeschwindigkeiten von 1/500 Sekunde ausreichend, um meist auch fahrende Züge scharf abzubilden. Scharf im Sinne von 0,033 mm (1/30 mm), ja klar.
Heute ist das anders. Jeder einzelne Pixel bildet die neue Schärfegrenze, streng genommen. Aber rechnen wir es mal aus. Als Beispiel nehmen wird eine Schmalspurlokomotive, die mit 40 km/h = 11,111 m/s vorbeifährt. Wir sind sagen wir einmal 10 Meter entfernt und unser Foto soll eine Seitenaufnahme der fahrenden Lokomotive sein. Die Lok wird formatfüllend aufgenommen. Die Lokomotive ist 12 Meter lang. Nehmen wir als Beispiel einen hochauflösenden Chip mit 5700 Pixel Breite. Dann wird die 12 m lange Lokomotive auf 5700 Pixeln verteilt, das macht pro Pixel rein rechnerisch 0,0021 m also 2,1 mm Lokomotive. Also die Lokomotive bleibt scharf, wenn sie sich weniger als 2,1 mm bewegt. Nun legt sie aber 11111 mm in der Sekunde zurück, ist also viel zu schnell. Bei einer Verschlussgeschwindigkeit von 1/500 Sekunde dürfte die Lokomotive sich rein rechnerisch 500 mal 2,1 mm bewegen, um noch als scharf zu gelten, das wären 1050 mm. Erst mit 1/5000 Sekunde dürfte sie sich 10500 mm bewegen. Also belegt (belichtet) ein Lokomotivteil schon bei 1/500 Sekunde locker 10 Pixel. Die Folge ist eine sichtbare Unschärfe. Hat unsere Kamera dagegen nur 3 Mio Pixel, würde das erst gar auffallen.
Noch schlechter sieht die Rechnung aus, wenn wir uns der normalen Bahn zuwenden, nur sind glücklicherweise die Lokomotiven grösser und wir sind weiter weg. Denn je weiter wir weg sind, desto schärfer (!) wird das Bild in Relation zur Verschlussgeschwindigkeit, weil sich die Lok oder der Zug entsprechend geringer auf dem Chip bewegt. Dazu geht der Winkel ein, das obige Beispiel galt für ein Seitenfoto im Winkel von 90° zur Lokomotive.
Daher mal ein Beispiel eines ICE-Zuges, den wir aus 50 Metern Entfernung aufnehmen. Der Zug sei einmal 150 m lang und er würde 120 km/h schnell fahren. Die Zuglänge bringt 0,026 m also 26 mm pro Pixel, die Geschwindigkeit beträgt 33,33 m/s also 33333 mm/s. Das ergäbe umgerechnet eine Verschlussgeschwindigkeit von etwa 1/1300 Sekunde, um diesen Zug seitlich im Winkel von 90° scharf auf den Chip zu bekommen, also ein realisierbarerer Wert als bei unserer Schmalspurlokomotive.

Nehmen wir den Zug noch etwas schräg auf, dann kann die Verschlussgeschwindigkeit entsprechend dem Sinussatz noch einmal reduziert werden, beträgt der Winkel zum Zug 60°, dann kann sie um 20%, bei 45° um 40% und bei 30° gleich halbiert werden. Auf gut deutsch heisst das nichts anderes, je spitzer wir den Zug aufnehmen, desto länger kann die Verschlussgeschwindigkeit sein, je seitlicher, desto kürzer muss sie sein!

Beim oberen Bild wurde 1/500 s verwendet, was eigentlich ausreichend sein sollte. Aber dennoch erscheint das Bild nicht scharf genug. Das hat nun mehrere Gründe, die sich teils addieren, teils aufheben.

Hier ist ein 100-Prozent-Ausschnitt aus dem Bild, fotografiert mit einer Brennweite von 300 mm. Deutlich sehen wir Schatten, den die Ziffern und Schrauben werfen. Diese kommen erst einmal daher, dass der Fotograf das Bild ein wenig verrissen hat, zum zweiten ist das Objektiv (Canon 100-300 mm) an seiner Leistungsgrenze angekommen, auf gut deutsch, es ist für solche Bilder überfordert. Das macht sich besonders im Mast links bemerkbar, der links einen roten und rechts einen grünen Rand hat. Das sind chromatische Aberrationen, also das Objektiv schafft es nicht mehr, alle Farben auf einen Punkt abzubilden.
Nun derselbe Zug bei nur 100 mm Brennweite:

Jetzt ist der Gesamteindruck schon deutlich besser, das Objektiv schafft es nun gerade noch, die Abbildung zu realisieren. Übrigens bis etwa 250 mm Brennweite klappt das bei dieser Optik, nur darüber hinaus wird es problematisch.   Aber schauen wir uns den 100-Prozent-Ausschnitt des oberen Bildes einmal an:

Jetzt haben wir nur noch reine Bewegungsunschärfen im Bild, die chromatischen Aberrationen sind nur noch minimal und tragbar. Also wäre hier die gewählte Verschlussgeschwindigkeit von 1/500 eindeutig zu gering.  Was aber beim verkleinerten Gesamtbild gar nicht so auffällt oder auffallen würde, noch weniger bei einem Ausdruck - selbst als Poster. Das liegt daran, dass die Drucker - vor allem Tintenstrahldrucker - die einzelnen Pixel gar nicht exakt abbilden, sondern diese verlaufen sowieso etwas ineinander. Ausserdem ist dieser 100-%-Ausschnitt einem Bild entnommen, dass 1,70 Meter Breite hätte - und wer macht schon ein Poster in der Grösse 1,30 x 1,70 Meter ???

Abschliessend ein weiteres Bild aus Grosskorbetha, allerdings nun aufgenommen mit einer 50-mm-Festbrennweite. Entfernung zum Zug etwa 50 Meter, daher ist die Relativgeschwindigkeit auf dem Chip so wie er es noch scharf wiedergeben würde. Bei Originalgrösse ist noch die Loknummer lesbar, es ist die 155 192.

Was lernen wir daraus: Bei Teleobjektiven ist die Verschlussgeschwindigkeit kritischer als bei Normal- oder Weitwinkelobjektiven. Das liegt daran, dass der Zug oder die Lokomotive bei Weitwinkelobjektiven sich relativ geringer bewegt als bei Teleobjektiven. Ausserdem sind 15 Mio Pixel derzeit das Maximum, was fast alle Objektive gerade noch verkraften können, bei 21 oder 24 Mio Pixel brauchen wir völlig neu berechnete Objektive, die vor allem die chromatische Aberration im Randbereich beherrschen. Hier sind Festbrennweiten besser geeignet. Ausserdem geht ohne Stativ und ohne kurze Verschlusszeiten gar nichts.
Daher reichen Kameras mit 10 oder 12 Mio Pixel normalerweise völlig aus.

Dieser Aufsatz sollte nur die Grenzen aufzeigen, die eigentlich nur bei der Sport- oder Eisenbahnfotografie auftreten, bei normalen Foto spielen die kaum eine Rolle.

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